25.4.43
Erhalten 28.4.43
[Aus der Zeitung, im Anhang vom Brief]
Bad Cannstatt, 12. April 1943 Krefelder Straße 31
Nach einem arbeitsreichen Leben ist heute mein lieber, guter Mann, unser lieber, guter Vater, Schwiegervater, Großvater, Bruder, Schwager und Onkel Paul Heermann, Weingärtner nach kurzer und schwerer, mit großer Geduld ertragener Krankheit sanft entschlafen. Die Beerdigung findet am Donnerstag, den 15. April, um 14.30 Uhr auf dem Steigfriedhof statt. In tiefstem Leid: Frau Luise Heermann, geboren Lutz, mit Kindern und Enkelkindern.
Mein Liebster!
Heute früh habe ich Deinen lieben Brief von 19. April erhalten, ich danke Dir herzlich dafür. Du schreibst, dass Du gar keine Post von mir erhältest, ich kann mir das nur halb erklären, da ich in der Woche nach Deiner Operation täglich geschrieben habe etwa 10 Tage lang. Einige Tage vor Ostern hab ich Dir ein Paket selbstgebackenes Anisbrot geschickt. Hast Du das auch nicht erhalten? Das wäre sehr schade und ärgerlich, zudem fast unersetzlich da ich 10 Eier hineingebacken habe.
Lieber Josef, Du schreibst von baldigen Kommen. Wie würde ich mich einerseits freuen!! Andererseits aber bin ich der Auffassung, dass es so kurze Zeit nach einer derartigen Operation doch unbedingt noch zu bald ist eine so weite, mit grossen körperlichen Strapazen verbundene Reise zu unternehmen. Wie leicht gibt es da einen Narbenbruch und dann kann man nichts mehr machen. Warte deshalb lieber noch etwas ab und dringe nicht unbedingt in den Arzt mit Weggehen jeder weitere Tag ist da eine gewonnene Zeit und Du bist nachher gekräftigter. Der Fall wäre anders, wenn Du in einem hiesigen Lazarett wärest. Mein Lieber, missverstehe mich bitte nicht, aber ich meine es ja in Deinem, sowie meinem Interesse gut.
Lieber Spatzl, bist sehr erschrocken von Vaters Todesanzeige? Ich hab es nicht verantworten können Dir in Deinem schweren Tagen das zu schreiben und musste notgedrungen zu einer Lüge greifen. Aber glaub mir diese Tage waren für mich doppelt schmerzlich. Dienstag 6. April bekam ich unerwartet ein Telegram, dass Vater operiert wurde und dass es schlecht stehe. Jeden Abend hab ich telefoniert und am Donnerstag 8. April bin ich hinabgefahren ihn zu besuchen und um das Nähre zu hören. Es war vereiterte Blinddarm- und Bauchfellentzündung. Ich sah alles gleich für hoffnungslos an. Vater selbst gab sich auch auf. Die andern Tage telefonierte ich wieder. Samstags wurde er noch am Darm operiert und Sonntag abends bekam ich im Gegensatz zu Samstag gute Auskunft, er sei munter gewesen und habe Wein!! getrunken. Montag 12. April mittags um 2 Uhr bekam ich den telefonischen Ruf rasch zu kommen. Der Zug fuhr um 3 Uhr. Irme und Elfi nahm ich mit. Um 5 Uhr war ich im Krankenhaus. Vater war nicht mehr bei sich, hat aber buchstablich auf mein Kommen gewartet. Der Arzt sagte gleich: Nun Sie da sind, gehts voll rasch. Er hat mich gross angeschaut als wolle er was sagen und um 5:30 Uhr hat er die Auge für immer geschlossen. Es ist für mich sehr schmerzlich zu wissen, dass ich meinen lieben, guten Vater nicht mehr habe und ich kann es fast noch nicht glauben. Mutter hat es schrecklich zugesetzt. Von Mittwoch 14. April auf Donnerstag haben dann die Flieger in Cannstatt so furchtbar gehaust. Die Beerdigung musste von Donnerstag Mittag auf Freitag früh um 11 Uhr verschoben werden, da noch 6 Bomben im Friedhof steckten. Die letzten 3 Wochen möchte ich nicht nochmal durchmachen, ich bin momentan auf den Nerven erledigt und es dürfen jetzt schon einige ruhige Tage kommen.
Die Osterbescherung mit ihrem Trara ist auch glücklich um. Die zwei Kleinen haben Wägele zum Sandeln bekommen und Brötle und Bonbons. Irmgard ein Malspiel und Wäsche. Für Dieter hat Franz eine Dampfralze gemacht. Er war überhaupt mal wieder der ganze Retter der Situation.
Lieber Spatzl, wenn Du genau weisst wenn Du heimkommst schreib es nur bitte, dann fahr ich Dir nach Möglichkeit ein Stück entgegen. Eben hab ich geschwind undern Lausbub geknipst, er ist wieder allein im Wagen gesessen. Von Dir mein Liebster erwart ich bald gute Nachricht und grüsse und küsse Dich vielmals
Deine Emilie und Kindern