Heiliger Abend 1942
Mein Liebster!
Es ist jetzt 22:15. Gerne hätte ich Dieterle bevor ich Dir schreibe fertig gemacht und schlafen gelegt, aber der Sohn mag noch nicht trinken. Unsere Grossen, eben hab ich sie nochmal zugedeckt schlafen selig und träumen sicher alle Dreie von Christkindles Herrlichkeit und allem was sie heute abend erlebt haben. Die Augen haben wieder gestrahlt!
So jetzt ist es glücklich so weit und der Bub auch im Bett’s ist inzwischen 23 Uhr vorbei und ich möchte mich nun weiter mit Dir unterhalten und Dir unser Weihnachten erzählen. Weisst bis zuletzt, sogar jetzt noch hoffe ich immer, dass Du noch kommst.
Um 5:30 war Bescherung. Brigittle und Elfriede waren im Bett bis 4 Uhr (16 Uhr) doch davon später. Von da ab gings los, kommt bald das Christkind uns. sf.1 Als es dann soweit war, war die Freude riesengross. Onkel Franz war auch da bis um 7 Uhr.
Neben etwas Spielsachen und Süssigkeiten hab ich den 2 Grossen eine hübsche blaue Sonntagweste stricken lassen und Brigittle so ein schönes blaues Kleidle gemacht gleich wie die 2 andern eins haben, da hat sie einen Stolz gehabt und ich hab auch einen, wenn alle Drei so schöne gleiche Sonntagkleidle haben. Von Franz sind sie noch extra beschenkt worden. Brigittle hat die gleiche Puppenwiege bekommen wie die andern, dazu noch ein nettes Bilderbuch. Elfriede ebenfalls ein Bilderbuch und ein Halskettle und Irmgard einen besonders schönen goldenen Armsreif. Dieterle brachte er verschieden Ledertierle und ein Rennwagen (selbstgemacht). Von Cannstatt sind hübsche Spielwaren und wertvolle praktische Geschenke bekommen (Grosseltern). Gefehlt hat es an nichts, blos Deine Anweisenheit wäre für uns alle das schönste Geschenk gewesen, aber ich muss mich eben mit vielen andern trösten.
Das Nachtessen war vor der Bescherungs, denn nachher hätte keine was gewollt. Da haben sie gekocht und gerührt und gegessen und umgetrieben, dass es wieder gut ist dass wir nicht in Miete wohnen. Bis 9 Uhr durften sie heute aufbleiben aber dann waren sie schlafreif.
Unser Festbraten morgen ist eine Ente. Gell, das ist fein? Das Gefängnis war so grosszügig jedem Beamter und Angestellter um 3.- ein solches Tierlein anzubieten. Das hab ich nicht abgeschlagen. 70 Stück von Langenau mussten daranglauben.
Irmgard hat Schulferien bis 11. Januar. Am letzten Schultag bringt die mir noch Windpocken daher. Aber das ist ja nicht gefährlich. Fiebrig ist sie bis jetzt nicht, vielleicht geht es so ab. Die andern bekommen sie nun bis in ca Wochen ebenfalls. Dieterle ist keuchhustenverdächtig. Ich hab ihn bei Dr. Ruthardt gleich dagegen spritzen lassen, ebenfalls Brigittle und Elfriede. Irmgard kommt daran wenn die Pocken vorbei sind. Heute früh war die zweite Spritzung und kommenden Dienstag die letzte. Ich leg sie darnach immer einige Stunden ins Bett weil ihnen der Hinterteil (Spritzteil) wehtut. Die Krämpfe beim Bub sind nicht mehr stark, die andern husten kaum, ich glaub ich habs recht erwischt mit zum Arzt gehen, hoffentlich wirds nicht schlimmer. Elfriede hat beginnende Mundfäule dazu. Ich pinsle sie dagegen mit Myrchenmedizin ein, da schreit sie furchtbar, aber geschleckt hat sie heute abend trotzdem tüchtig, weisst ich bin da nicht mehr so ängstlich ich müsste sonst jeden Tag einmal sterben vor Angst.
Mir selber gehts schon recht, ich hab gar keine Zeit an Kranksein zu denken. Mit den wachsender Aufgaben bekommt man auch die wachsende Kraft dazu.
Letzten Montag war Frauenschaftsweihnacht. Doch kaum war man eine viertel Stunde beisammen hats getutet um 8:45 bis 10:45 Uhr (München). In Wellen ziemlich stark haben sie U.2 überflogen. Jedesmal darf man froh sein, wenns gut vorbeigeht.
Die Stadt Ulm ist bei Deinem Sohn Ehrenpate. Eine schöne Urkunde und ein Sparbuch mit 100.- RM ist mir neulich gebracht worden.
Toni hat meine Uhr geschickt. Ich hab ihm nun geschrieben. Auch diesen Brief leg ich Dir bei.
Nach Reichenbach hab ich geschrieben, Du kämest nach Weihnachten bestimmt. Wenns nicht so wird schreibe Du bitte selbst hinauf. Die Fronliste hab ich da.
Das Notwendigste hab ich Dir wohl jetzt alles geschrieben, aber etwas drängt mich noch mehr, zu wissen wie es Dir mein Liebster geht. Hoffentlich hast Du keine Magen Beschwerden mehr. Halt Dich ja so gut wie möglich, hauptsächlich im Rauchen, weisst Du lebst Dein Leben nicht allein für Dich, wir sind auch da und Deinen 4 Kindern zuliebe lohnt es sich schon wenn Du in einigen Sachen etwas zurückhälst, Du weisst ja selbst was Dir schadet und was nicht. Ich möchte Dir damit bestimmt keine Moral predigen, denn letzten Endes musst Du solche Folgen ja selbst büssen.
Wie habt ihr den heiligen Abend zugebracht. Bei der Ringsendung hauptsächlich da wo sämtliche Fronten das Weihnachtslied Stille Nacht zusammen gesungen haben hab ich gedacht ob Du das jetzt auch hörst? Man hat da so deutlich gefühlt wie urdeutsch doch unsere Weihnachten ist und wie Front und Heimat eins sind und durch nichts auseinander zu bringen sind. Eben kommen die 24 Uhr Nachrichten und ich sitze noch am Schreibtisch. Aber nun mach ich Schluss. Bis ich noch meine Warmflasche richte, Du weisst ja ohne die kann ich mal nicht sein. Dann heb ich noch Brigitte ab, wenn ich noch nicht zu spät komme. Die andern deck ich alle zu und sag jedem noch ein liebes Wort ins Ohr. Darnach leg ich mich auch schlafen, denn Dir kann ich nichts ins Ohr flüstern, ich würd es sonst auch tun, aber leider -- . .
In Gedanken grüsse und küsse ich Dich recht vielmals. Deine Dich innig liebende
Emilie und Kindern
Mein Liebster!
Es ist jetzt 22:15. Gerne hätte ich Dieterle bevor ich Dir schreibe fertig gemacht und schlafen gelegt, aber der Sohn mag noch nicht trinken. Unsere Grossen, eben hab ich sie nochmal zugedeckt schlafen selig und träumen sicher alle Dreie von Christkindles Herrlichkeit und allem was sie heute abend erlebt haben. Die Augen haben wieder gestrahlt!
So jetzt ist es glücklich so weit und der Bub auch im Bett’s ist inzwischen 23 Uhr vorbei und ich möchte mich nun weiter mit Dir unterhalten und Dir unser Weihnachten erzählen. Weisst bis zuletzt, sogar jetzt noch hoffe ich immer, dass Du noch kommst.
Um 5:30 war Bescherung. Brigittle und Elfriede waren im Bett bis 4 Uhr (16 Uhr) doch davon später. Von da ab gings los, kommt bald das Christkind uns. sf.1 Als es dann soweit war, war die Freude riesengross. Onkel Franz war auch da bis um 7 Uhr.
Neben etwas Spielsachen und Süssigkeiten hab ich den 2 Grossen eine hübsche blaue Sonntagweste stricken lassen und Brigittle so ein schönes blaues Kleidle gemacht gleich wie die 2 andern eins haben, da hat sie einen Stolz gehabt und ich hab auch einen, wenn alle Drei so schöne gleiche Sonntagkleidle haben. Von Franz sind sie noch extra beschenkt worden. Brigittle hat die gleiche Puppenwiege bekommen wie die andern, dazu noch ein nettes Bilderbuch. Elfriede ebenfalls ein Bilderbuch und ein Halskettle und Irmgard einen besonders schönen goldenen Armsreif. Dieterle brachte er verschieden Ledertierle und ein Rennwagen (selbstgemacht). Von Cannstatt sind hübsche Spielwaren und wertvolle praktische Geschenke bekommen (Grosseltern). Gefehlt hat es an nichts, blos Deine Anweisenheit wäre für uns alle das schönste Geschenk gewesen, aber ich muss mich eben mit vielen andern trösten.
Das Nachtessen war vor der Bescherungs, denn nachher hätte keine was gewollt. Da haben sie gekocht und gerührt und gegessen und umgetrieben, dass es wieder gut ist dass wir nicht in Miete wohnen. Bis 9 Uhr durften sie heute aufbleiben aber dann waren sie schlafreif.
Unser Festbraten morgen ist eine Ente. Gell, das ist fein? Das Gefängnis war so grosszügig jedem Beamter und Angestellter um 3.- ein solches Tierlein anzubieten. Das hab ich nicht abgeschlagen. 70 Stück von Langenau mussten daranglauben.
Irmgard hat Schulferien bis 11. Januar. Am letzten Schultag bringt die mir noch Windpocken daher. Aber das ist ja nicht gefährlich. Fiebrig ist sie bis jetzt nicht, vielleicht geht es so ab. Die andern bekommen sie nun bis in ca Wochen ebenfalls. Dieterle ist keuchhustenverdächtig. Ich hab ihn bei Dr. Ruthardt gleich dagegen spritzen lassen, ebenfalls Brigittle und Elfriede. Irmgard kommt daran wenn die Pocken vorbei sind. Heute früh war die zweite Spritzung und kommenden Dienstag die letzte. Ich leg sie darnach immer einige Stunden ins Bett weil ihnen der Hinterteil (Spritzteil) wehtut. Die Krämpfe beim Bub sind nicht mehr stark, die andern husten kaum, ich glaub ich habs recht erwischt mit zum Arzt gehen, hoffentlich wirds nicht schlimmer. Elfriede hat beginnende Mundfäule dazu. Ich pinsle sie dagegen mit Myrchenmedizin ein, da schreit sie furchtbar, aber geschleckt hat sie heute abend trotzdem tüchtig, weisst ich bin da nicht mehr so ängstlich ich müsste sonst jeden Tag einmal sterben vor Angst.
Mir selber gehts schon recht, ich hab gar keine Zeit an Kranksein zu denken. Mit den wachsender Aufgaben bekommt man auch die wachsende Kraft dazu.
Letzten Montag war Frauenschaftsweihnacht. Doch kaum war man eine viertel Stunde beisammen hats getutet um 8:45 bis 10:45 Uhr (München). In Wellen ziemlich stark haben sie U.2 überflogen. Jedesmal darf man froh sein, wenns gut vorbeigeht.
Die Stadt Ulm ist bei Deinem Sohn Ehrenpate. Eine schöne Urkunde und ein Sparbuch mit 100.- RM ist mir neulich gebracht worden.
Toni hat meine Uhr geschickt. Ich hab ihm nun geschrieben. Auch diesen Brief leg ich Dir bei.
Nach Reichenbach hab ich geschrieben, Du kämest nach Weihnachten bestimmt. Wenns nicht so wird schreibe Du bitte selbst hinauf. Die Fronliste hab ich da.
Das Notwendigste hab ich Dir wohl jetzt alles geschrieben, aber etwas drängt mich noch mehr, zu wissen wie es Dir mein Liebster geht. Hoffentlich hast Du keine Magen Beschwerden mehr. Halt Dich ja so gut wie möglich, hauptsächlich im Rauchen, weisst Du lebst Dein Leben nicht allein für Dich, wir sind auch da und Deinen 4 Kindern zuliebe lohnt es sich schon wenn Du in einigen Sachen etwas zurückhälst, Du weisst ja selbst was Dir schadet und was nicht. Ich möchte Dir damit bestimmt keine Moral predigen, denn letzten Endes musst Du solche Folgen ja selbst büssen.
Wie habt ihr den heiligen Abend zugebracht. Bei der Ringsendung hauptsächlich da wo sämtliche Fronten das Weihnachtslied Stille Nacht zusammen gesungen haben hab ich gedacht ob Du das jetzt auch hörst? Man hat da so deutlich gefühlt wie urdeutsch doch unsere Weihnachten ist und wie Front und Heimat eins sind und durch nichts auseinander zu bringen sind. Eben kommen die 24 Uhr Nachrichten und ich sitze noch am Schreibtisch. Aber nun mach ich Schluss. Bis ich noch meine Warmflasche richte, Du weisst ja ohne die kann ich mal nicht sein. Dann heb ich noch Brigitte ab, wenn ich noch nicht zu spät komme. Die andern deck ich alle zu und sag jedem noch ein liebes Wort ins Ohr. Darnach leg ich mich auch schlafen, denn Dir kann ich nichts ins Ohr flüstern, ich würd es sonst auch tun, aber leider -- . .
In Gedanken grüsse und küsse ich Dich recht vielmals. Deine Dich innig liebende
Emilie und Kindern