O. U., den 8. März 1942
Meine Lieben zu Hause!
Nach einer Nacht in der ich, eigentlich wie immer, gut geschlafen habe, erwachte ich heute früh an einem Geräusch. Ein hier im Lazarett beschäftigen Franzose stolzierte mit einem Kübel Wasser an meinem Bett vorbei. Er hatte Wasser geholt, offenbar um draußen den Kur zu reinigen. Es war 1/2 7 Uhr und ich konnte nicht mehr schlafen. Da ging ich aus dem Saal um nach dem Wasser zu sehen.
Es war noch Nacht, aber man sah doch, daß trübe Wolkenfetzen über der großen Weltstadt hingen und es versprach ein trübseliger Sonntag zu werden. Nach einiger Zeit ging ich wieder ins Bett, dort verbliebe ich eine Stunde und dachte an Euch und meine Gedanken von heute früh finden in diesem Brief ihren Niederschlag. Ich erinnerte mich daran, vor einiger Zeit ein Abhandlung über das Thema ,,Glückliche Jugend - glückliches Volk” gelesen zu haben. Diese Gedanken möchte ich in Verbindung bringen mit dem Eindruck, den ich heute früh vom Wetter bekommen habe. Es schien mir als ob ein Tag käme, der draußen nichts anderes bringe als Nebel und Regen, kurzum dieser Eindruck machte mir den ganzen Tag trübe. So ist es auch, wenn die Jugend eines Menschen trübe u. neblig ist. Sie wirkt auf sein ganzes Leben. In diesen Tagen der Jugend, wo das Kind allmählich anfängt die Begriffe von Gut und Böse zu begreifen und wo es sich um alle Erscheinungen des Lebens zu kümmern anfängt von Stadt und Dorf, von Arbeit und Spiel und von Armut und Reichtum bildet sich gewissermaßen ,,die eiserne Portion” seines Begriffe überhaupt. Das, was die Kinder hier erleben und erschauen sind die Ausgangspunkte für ihr ganzes Leben, für ihren Geist und für ihr Gemüt. Ihre ganze spätere Art geht daran aus und kehrt dahin wieder zurück.
Wie kann es möglich sein, daß das Kind von seinem Vater einen guten Eindruck bekommt, wenn es sich nicht gütig u. liebevoll mit ihm beschäftigt. Ein Vater, von dem die Mutter nicht liebevoll spricht, von dem wird das Kind in seinem seelischen Leben kein gutes Bild bekommen. Auch wird der Ärger, den die Eltern andauerend vor ihren Kindern austragen einem schlechten Eindruck bei ihnen hinterlassen. Wie ganz anders ist es aber dann, wenn die Kinder lauter frohe und heitere Dinge sehen, wenn sie die Liebe der Eltern unter sich spüren und ihre Liebe zu den Kindern tage täglich erfahren dürfen. Sie werden mit diesen Dingen ihr Leben lang Umgang haben, ihr ganzes Leben wird gesonnt, erwärmt und geformt. Nicht allein das, wenn keine besonders ungünstige Momente hinzukommen, dann wird als das auf die nächster Generation weitergetragen. Aus der glücklichsten Tugend wird ein glückliches Volk. Dieses Volk wird dann dafür einstehen, daß die Voraussetzungen für eine glückliche Jugend erhalten bleiben.
Meine Liebe, wir selbst haben längst nach diesen Grund- sätzen gelebt und ich weiß, daß Du meine Teure, auch während meiner Abwesenheit den Kindern gibst, was sie an körperliche und geistigen Betreuung brauchen.
Aus diesen Zeilen kannst Du nun auch erkennen, und das soll Dir ein Trost sein, daß wenn diese ververflixte Magengeschichte nicht wäre, ich wohl in der Lage wäre, die mir hier aufgegebenen Pflichten getreulich zu erfüllen.
Wegen der Betreuung hier im Lazarett kann ich Dir mitteilen, daß wir geradezu vorzüglich versorgt sind. Morgens 1/2 7 wird Licht gemacht. Die 40 im Saal befindlichen Kranken besteht bis 1/2 9 die Möglichkeit sich zu waschen, um 8 Uhr bekomme ich nüchtern meine Magenmedizin. 1/2 9 Uhr Frühstück. Weisses Brot mit Butter und gutene Gsälz, Kaffee, 1/2 11 zweites Frühstück, eine Tasse Kakao, 1/2 1 Uhr Mittagessen - zum Beispiel Kartoffelpüree, Blumenkohl oder gelbe Rüben Gemüse dabei ein Stück guten schmackhaften Fisch mit Sauce anschließend als Nachtisch Pudding. 3 Uhr eine Tasse Milch mit Keks und abends 1/2 6 Uhr Nachtessen mit Ei belegtes weisses Brot u. Kaffee, Tee oder Milch oder Griesbrei. Sodann folgt gegen 8 Uhr abends noch einmal eine Tasse Kaffee oder Milch und etwas Brot. Schmerzen habe ich mir noch nachmittags zwischen 1/2 3 und 1/2 5 Uhr, sonst nicht mehr.
Ich habe jetzt wieder guten Appetitt und werde mein Gewicht schon wieder einholen.
Nun muß ich meine Zeilen beschließen, ich habe einmal wieder mit Euch zwiesprache gehalten und mein besten Grüße gelten Euch allen. Wie steht es mit Dir meine Liebe, dürfen wir hoffen?
Sei tapfer und stark, ich bin schon bei Dir und bei Euch allen
Dein treuer Josef
Meine Lieben zu Hause!
Nach einer Nacht in der ich, eigentlich wie immer, gut geschlafen habe, erwachte ich heute früh an einem Geräusch. Ein hier im Lazarett beschäftigen Franzose stolzierte mit einem Kübel Wasser an meinem Bett vorbei. Er hatte Wasser geholt, offenbar um draußen den Kur zu reinigen. Es war 1/2 7 Uhr und ich konnte nicht mehr schlafen. Da ging ich aus dem Saal um nach dem Wasser zu sehen.
Es war noch Nacht, aber man sah doch, daß trübe Wolkenfetzen über der großen Weltstadt hingen und es versprach ein trübseliger Sonntag zu werden. Nach einiger Zeit ging ich wieder ins Bett, dort verbliebe ich eine Stunde und dachte an Euch und meine Gedanken von heute früh finden in diesem Brief ihren Niederschlag. Ich erinnerte mich daran, vor einiger Zeit ein Abhandlung über das Thema ,,Glückliche Jugend - glückliches Volk” gelesen zu haben. Diese Gedanken möchte ich in Verbindung bringen mit dem Eindruck, den ich heute früh vom Wetter bekommen habe. Es schien mir als ob ein Tag käme, der draußen nichts anderes bringe als Nebel und Regen, kurzum dieser Eindruck machte mir den ganzen Tag trübe. So ist es auch, wenn die Jugend eines Menschen trübe u. neblig ist. Sie wirkt auf sein ganzes Leben. In diesen Tagen der Jugend, wo das Kind allmählich anfängt die Begriffe von Gut und Böse zu begreifen und wo es sich um alle Erscheinungen des Lebens zu kümmern anfängt von Stadt und Dorf, von Arbeit und Spiel und von Armut und Reichtum bildet sich gewissermaßen ,,die eiserne Portion” seines Begriffe überhaupt. Das, was die Kinder hier erleben und erschauen sind die Ausgangspunkte für ihr ganzes Leben, für ihren Geist und für ihr Gemüt. Ihre ganze spätere Art geht daran aus und kehrt dahin wieder zurück.
Wie kann es möglich sein, daß das Kind von seinem Vater einen guten Eindruck bekommt, wenn es sich nicht gütig u. liebevoll mit ihm beschäftigt. Ein Vater, von dem die Mutter nicht liebevoll spricht, von dem wird das Kind in seinem seelischen Leben kein gutes Bild bekommen. Auch wird der Ärger, den die Eltern andauerend vor ihren Kindern austragen einem schlechten Eindruck bei ihnen hinterlassen. Wie ganz anders ist es aber dann, wenn die Kinder lauter frohe und heitere Dinge sehen, wenn sie die Liebe der Eltern unter sich spüren und ihre Liebe zu den Kindern tage täglich erfahren dürfen. Sie werden mit diesen Dingen ihr Leben lang Umgang haben, ihr ganzes Leben wird gesonnt, erwärmt und geformt. Nicht allein das, wenn keine besonders ungünstige Momente hinzukommen, dann wird als das auf die nächster Generation weitergetragen. Aus der glücklichsten Tugend wird ein glückliches Volk. Dieses Volk wird dann dafür einstehen, daß die Voraussetzungen für eine glückliche Jugend erhalten bleiben.
Meine Liebe, wir selbst haben längst nach diesen Grund- sätzen gelebt und ich weiß, daß Du meine Teure, auch während meiner Abwesenheit den Kindern gibst, was sie an körperliche und geistigen Betreuung brauchen.
Aus diesen Zeilen kannst Du nun auch erkennen, und das soll Dir ein Trost sein, daß wenn diese ververflixte Magengeschichte nicht wäre, ich wohl in der Lage wäre, die mir hier aufgegebenen Pflichten getreulich zu erfüllen.
Wegen der Betreuung hier im Lazarett kann ich Dir mitteilen, daß wir geradezu vorzüglich versorgt sind. Morgens 1/2 7 wird Licht gemacht. Die 40 im Saal befindlichen Kranken besteht bis 1/2 9 die Möglichkeit sich zu waschen, um 8 Uhr bekomme ich nüchtern meine Magenmedizin. 1/2 9 Uhr Frühstück. Weisses Brot mit Butter und gutene Gsälz, Kaffee, 1/2 11 zweites Frühstück, eine Tasse Kakao, 1/2 1 Uhr Mittagessen - zum Beispiel Kartoffelpüree, Blumenkohl oder gelbe Rüben Gemüse dabei ein Stück guten schmackhaften Fisch mit Sauce anschließend als Nachtisch Pudding. 3 Uhr eine Tasse Milch mit Keks und abends 1/2 6 Uhr Nachtessen mit Ei belegtes weisses Brot u. Kaffee, Tee oder Milch oder Griesbrei. Sodann folgt gegen 8 Uhr abends noch einmal eine Tasse Kaffee oder Milch und etwas Brot. Schmerzen habe ich mir noch nachmittags zwischen 1/2 3 und 1/2 5 Uhr, sonst nicht mehr.
Ich habe jetzt wieder guten Appetitt und werde mein Gewicht schon wieder einholen.
Nun muß ich meine Zeilen beschließen, ich habe einmal wieder mit Euch zwiesprache gehalten und mein besten Grüße gelten Euch allen. Wie steht es mit Dir meine Liebe, dürfen wir hoffen?
Sei tapfer und stark, ich bin schon bei Dir und bei Euch allen
Dein treuer Josef